Meinerzhagen, 05.05.23

"Haben auf Krücken laufen gelernt" - Interview der Meinerzhagener Zeitung mit Christoph Heuel zum Kampf mit den Folgen der A45-Sperrung

Meinerzhagener Zeitung, Interview Christoph Heuel

Herr Heuel, seit fast anderthalb Jahren geht auf der A45 bei Lüdenscheid nichts mehr. Haben Sie sich an die Situation gewöhnt?

Christoph Heuel: Ich sage es mal so: Wir haben mit Krücken laufen gelernt. Wir sind in Richtung Ruhrgebiet 30 bis 45 Minuten länger unterwegs. Das ist für die Mitarbeiter natürlich sehr zäh. Aber wir versuchen, uns weitestgehend darauf einzustellen und planen das natürlich ein.

Was bedeutet die Sperrung konkret für Ihr Unternehmen?

Dass wir durch die längere Fahrzeit 25 Prozent mehr Lkw benötigen und in der Folge auch mehr Personal. Wir können ja unsere Fahrer nicht einfach länger arbeiten lassen. Das größte Problem ist aber der Fachkräftemangel: Wir finden einfach keine Leute mehr, die Lust haben, etwa aus dem Norden von Lüdenscheid oder aus Hagen bei uns anzufangen. Das ist für uns das Dramatischste an der aktuellen Situation.

Haben Sie aufgrund der Brückensperrung bereits Mitarbeiter verloren?

Allerdings. Etwa zehn an der Zahl. Die Fahrer sagen auch ganz offen, dass sie mit der aktuellen Lage nicht mehr klar kommen oder „auf der anderen Seite“ einen Job gefunden haben. Am Ende will doch jeder Fahrer ankommen und nicht ständig im Stau stehen. Die wollen in den verdienten Feierabend.

Nun geht es für Ihre Lastwagen häufig durch die Lüdenscheider Wohngebiete. Bekommen Ihre Fahrer den Ärger der Anwohner mit?

Anfeindungen gab es bis jetzt nicht. Aber dass die Situation für alle Seiten schlimm ist, steht außer Frage. Ich kann die Leute, die da direkt an der Straße wohnen, sehr gut verstehen, habe selber auch schon mitbekommen, wie das Porzellan im Schrank scheppert, wenn die Lastwagen vorbeifahren. Der Ärger ist absolut nachvollziehbar.

Aber eine Umfahrung lohnt sich für Logistiker vermutlich nicht...

Für uns als Spedition des Ziel- und Quellverkehrs ohnehin nicht. Und so lange es kein Durchfahrverbot durch Lüdenscheid gibt und die Zeit immer noch kürzer ist als eine Alternativroute, werden auch die weiter entfernten Speditionen die Fahrt durch die Stadt wählen.

Stichwort Durchfahrverbot: Was halten Sie von der Idee, Lüdenscheid für den Transitverkehr dichtzumachen?

Das wäre nahezu unkontrollierbar und würde auch nur für eine Belastung an anderen Stellen sorgen. Der Verkehr ist dadurch ja nicht automatisch weg! Bei dem in Rede stehenden Radius von 75 Kilometern rund um Lüdenscheid, in denen man als Ziel- und Quellverkehr gilt, würde das doch einen immensen Aufwand bedeuten: Kontrollieren Sie mal jeden Lkw, lassen sich die Papiere zeigen, wo der herkommt und wo der hin will. Man muss ja auch die Relation beachten: Ursprünglich sind etwa 15 000 Lkw über die jetzt gesperrte Brücke gefahren. Jetzt ist noch von sechs- bis siebentausend die Rede, die diese Nord-Süd-Achse wählen. Von denen würden aber nur 800 als Transitverkehr gelten. Das sind für die Bewohner natürlich immer noch viele, aber wir reden von nicht einmal zehn Prozent des Lkw-Verkehrs, der von einem Durchfahrtsverbot betroffen wäre. Den Verkehr aus der Stadt zu bekommen, ist ja richtig – aber das ist zum Teil ja schon gelungen.

Welche Bedeutung hat die B54 schon jetzt für Ihre Firma – und welche Effekte erhoffen Sie sich von einer Absenkung der Fahrbahn bei Oberbrügge?

Ohne die Bundesstraße könnten wir jetzt schon dichtmachen. Da fahren wir sehr häufig her. Die Fahrer kennen natürlich die Brückenhöhen und senken ihre Auflieger schon ab, wenn sie dort her fahren.

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik frei hätten: Welcher wäre es?

Dass man unter realen Bedingungen einen verlässlichen Zeitplan ausarbeitet! Die Sprengung im Mai ist ja erst einmal ein Symbol, ändert aber nichts. Die Verantwortlichen müssen ein Licht am Ende des Tunnels aufzeigen, damit man sich genau darauf einstellen kann. Es muss das Bild einer Oase nach der Zeit des Neubaus geschaffen werden. Das ist auch für die Unternehmen wichtig, die immer unsicherer werden, ob und wie es in dieser Region für sie weitergehen kann. Helfen kann dabei auch eine viel bessere Vernetzung von Bahn und Lkw. Nur dann haben wir eine Chance. Auch in Berlin muss ankommen, dass es ohne funktionierende Infrastruktur keine florierende Wirtschaft geben kann.

Quelle: Meinerzhagener Zeitung, Ausgabe: 05.05.23